Und wieder gibt es etwas Neues auf der queerpolitischen Ebene in Bremen, der Queerpolitische Beirat trat zu seiner konstituierenden Sitzung zusammen.
Also da muss ich mal etwas weiter ausholen. Am 23.01.2014 hat die Bremische Bürgerschaft (Landtag) die Erstellung des Bremer Landesaktionsplans gegen Homo-, Trans- und Interphobie beschlossen, was eine tolle Sache gewesen ist. Für die Realisierung der Punkte im Landesaktionsplan wurden vom Land damals auch Gelder zur Verfügung gestellt.
Die Idee hinter dem ganzen Landesaktionsplan war, dass Bremen sich verpflichtet, die im Aktionsplan aufgeführten Punkte im Auge zu behalten und umzusetzen. Natürlich ist so ein Beschluss, wie ein Landesaktionsplan, ein tolles Zeichen und die Community hat sich mit Vorsicht gefreut. Denn die Umsetzung des Landesaktionsplans verlief bis heute nicht so wie erhofft. Der Plan war, dass Bremen von sich aus daran denkt etwas umsetzen. Doch die Realität war ganz anders. Es waren die LGBTIQ*Organisationen, die Bremen auf fehlende Strukturen aufmerksam machen mussten oder selbst zu Projektträger*innen wurden.
Mit dem Beschluss einen Queerpolitischen Beirat einzurichten, möchten die Erfinder*innen offensichtlich der Umsetzung des Landesaktionsplans neuen Fahrtwind verleihen. Die Idee finde ich persönlich gar nicht so dumm, denn aus eigener Erfahrung weiß ich, am Schwierigsten ist die erste Idee zu finden. Und hier kann ein Queerpolitischer Beirat tatsächlich ein Teil der Lösung sein. Ganz besonders Einer, dessen Mitglieder sich aus je einem der 5 Bürgerschaftsfraktionen (Die Linke, SPD, Die Grünen, CDU und FDP) und je einem der 7 LGBTIQ*Organisationen Rat&Tat-Zentrum für queeres Leben e. V., Trans-Recht e. V., der Verein Intersexuelle Menschen e. V., der CSD Bremen e. V., der Lesben- und Schwulenverband Niedersachsen-Bremen e. V., queerhandicap e. V., belladonna e. V. sowie Queeraspora zusammensetzt.
Zu den 12 Mitgliedern sind noch 12 ständige Gäste ein Teil des Queerpolitischen Beirats. Das sind in erster Linie Menschen, die unterschiedliche Ressorts der folgenden Behörden vertreten: Senator für Finanzen, Senator für Inneres, Senator für Justiz und Verfassung, Senatorin für Kinder und Bildung, Senator für Kultur, Senatorin für Klimaschutz, Umwelt, Mobilität, Stadtentwicklung und Wohnungsbau, Senatorin für Wirtschaft, Arbeit und Europa, Senatorin für Gesundheit, Frauen und Verbraucherschutz, Senatorin für Wissenschaft und Häfen, Senatskanzlei, Bremische Zentralstelle für die Verwirklichung der Gleichberechtigung der Frau.
Bei den Vorteilen des Beirats muss man erstmal differenzieren, was die Aufgabe des Beirats ist. Und die Aufgabe, die die Bremische Bürgerschaft (Landtag) für den Queerpolitischen Beirat vorgesehen hat, ist das Begleiten der Realisiung des Landesaktionsplans. Und wenn da steht, dass der Beirat es begleiten soll, heißt es eben nicht selbst zu entscheiden.
Aber so einfach ist das in der Politik allgemein. Auf der einen Seite kann der Beirat nicht beschließen für was Bremen das Geld ausgibt, auf der anderen Seite ist es relativ schwierig für Behörden und Politik, Projekte und Maßnahmen für die LGBTIQ*Commiunity durchzusetzen, die vom Queerpolitischen Beirat also von LGBTIQ*Menschen abgelehnt werden.
Und auch wenn wir im Queerpolitischen Beirat keine direkte Entscheidungsgewalt haben, sind wir in der Lage, Einfluss auf die Politik zu nehmen. Direkter Kontakt zu Politiker*innen und Behörden kann nicht schaden. Daraus können sehr gute und schöne Projekte für die LGBTIQ*Community entstehen. Einfach nur, weil Menschen miteinander sprechen und sich austauschen. Der Queerpolitische Beirat ist also nichts anderes als Lobbyarbeit. LGBTIQ*Lobbyarbeit nicht mehr, aber auch nicht weniger!
Wie das so ist mit Gremien, die eigentlich nur beraten sollen aber keine Entscheidungsgewalt haben. Es hängt absolut von den jeweiligen Menschen im Beirat ab, was die aus so einem Gremium machen. Wenn sich die LGBTIQ*Organistaionen bzw. deren Mitglieder im Beirat nicht einig sind, ist es selbstverständlich, dass der Beirat nicht viel bewirkt und weiterhin vom Landesaktionsplan wenig umzugesetzt wird. Auch wenn es erst mal schwierig erscheint und die LGBTIQ*Community selten einer Meinung ist, gehe ich hier von einer sehr guten Zusammenarbeit aus.
Was mir aber mehr Bauchschmerzen verursacht, ist der erste Vorschlag der Geschäftsordnung, die sich der Queerpolitische Beirat geben soll. So steht unter Punkt 2.5 der folgende Passus:
“Der Beirat entscheidet grundsätzlich im Konsens seiner Mitglieder und ständigen Gäste, sofern die Geschäftsordnung nicht etwas Anderes bestimmt.”
Das bedeutet für mich, dass Beschlüsse des Queerpolitischen Beirats nur einstimmig zustande kommen, wenn also alle Mitglieder und ständigen Gäste zustimmen.
Als beratendes Gremium hat der Beirat nur eine einzige Entscheidungsgewalt: “Der Queerpolitische Beirat kann eine Meinung haben” mehr nicht! Und wenn ich nun bedenke, dass die Entscheidung auch nur einstimmig zustande kommt, dann kann (muss nicht) es zu einer Lähmung des Beirats führen. Denn eine Pflicht zur Einstimmigkeit ist immer ein Vetorecht für jede einzelne stimmberechtigte Person.
Kurz gesagt: Da wartet richtig viel Arbeit auf uns. Und es fängt schon mit dem Gedankenmachen zu der vorgeschlagenen Geschäftsordnung und der vorgeschlagenen Einstimmigkeitspflicht an. Warum stört sich sonst niemand an diesem Punkt?
Wenn ich überlege, dass der aktuelle Beirat aus 5 Fraktionen, 7 LGBTIQ*Organisationen und 12 Ressorts verschiedener Behörden besteht, die alle stimmberechtigt sind und alle Entscheidungen einstimmig sein müssen, dann kriege ich langsam aber sicher große Bedenken.
Verstehe mich bitte nicht falsch. Ich bin fest davon überzeugt, dass auch ein rein beratender Beirat großen und entscheidenden Beitrag zur Umsetzung des Bremer Landesaktionsplans beisteuern kann. Allein die Tatsache, dass sich Politk und Behörden gemeinsam mit den LGBTIQ*Organistaionen an einen Tisch setzen, um sich auszutauschen, Ziele oder einzelne Projekte und deren Bedeutung besprechen, ist wichtig.
Aber dann verstehe ich die vorgeschlagene Entscheidungsfindung des Queerpolitischen Beirats nicht. Wenn die Politk beschlossen hat sich von einem Queerpolitischen Beirat beraten zu lassen und wenn wir, die von den LGBTIQ*Organisationen benannten Beiratsmitglieder, die Fachmenschen für LGBTIQ*Themen sein sollen, warum ist dann unser LGBTIQ*Fachwissen lediglich zu 29,2% (7 von 24 Stimmen) gefragt? Die Politik hat 20,8% (5 Stimmen) und die Behörden 50% der Stimmen. Von zwingender Einstimmigkeit ganz zu schweigen. Denk daran, es geht bei den Abstimmungen im Beirat nur um eine Meinung des Beirats zu LGBTIQ*Themen.
Also, wer berät hier wen? Verstehst du meine Verwirrung?
Aber trotzdem. Trotz all der Bedenken und auch wenn sich der Beirat gegeseitig blockieren könnte, bin ich erstmal zuversichtlich. Schließlich ist das Thema Geschäftsordnung nicht beschlossen und vertagt. Das zeigt schon mal, dass alle Seiten an einer Verbesserung der Situation interessiert sind. Und das Handtuch schmeißen können wir alle immer noch, sobald sich das als Sackgasse rausstellen sollte, aber eben erst dann und nicht vorher!
Und ja, die Bremische Bürgerschaft (Landtag) ist mit der Realisiung des Queerpolitischen Beirats hinter meinen Erwartungen zurückgeblieben. Denn Mitglied in so einem Beirat zu sein heißt erst mal viel Arbeit für mich und nicht, dass Alles gut ist. Auf der anderen Seite bin ich Optimist und denke, dass der Beirat auch ein erfolgreiches Gremium werden kann, was wiederum ein Schritt in die richtige Richtung wäre.
Ausgebildeter Speditionskaufmann, staatl. geprüfter Betriebswirt der Logistik und Qualitätsmanager (IHK). Seit 2009 Geschäftsführer der vardea logistics. Seit Vereinsgründung 2016 im CSD Bremen aktiv.
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