Deckblatt des Protokoll 4. Stizung der Bremischen Bürgerschaft (Landtag)

Protokollausschnitt der Bremischen Bürgerschaft zur Sitzung über die Einführung eines queerpolitischen Beirats in Bremen


In der 4. Sitzung der Bremischen Bürgerschaft (Landtag am Mittwoch, den 25. September 2019, fand die Beratung über den Dringlichkeitsantrag (Drs. 20/59 18.09.2019) zum queerpolitischen Beirat statt. Im Folgenden findest du den Ausschnitt des Bürgerschaftprotokolls. Das Originalprotokoll findest du auf der Seite der Bremischen Bürgerschaft als PDF Dokument.

Beratung der Bremischen Bürgerschaft über den Antrag (Queerpolitischer Beirat)

Vizepräsidentin Dogan eröffnet die Sitzung wieder um 15:00 Uhr

Vizepräsidentin Dogan:

Die Sitzung der Bürgerschaft (Landtag) ist wieder eröffnet. Wir setzen die Tagesordnung fort. Einrichtung eines queerpolitischen Beirats Antrag der Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen, der SPD und DIE LINKE vom 18. September 2019 (Drucksache 20/59) Dazu als Vertreterin des Senats Frau Senatorin Stahmann.

Die Beratung ist eröffnet.

Als erste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Wargalla.

Abgeordnete Wargalla (Bündnis 90/Die Grünen):

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleg_innen! Ich spreche explizit nicht die Doppelform, sondern das glottale Plosiv, einen stimmlosen Laut, jene kurze Pause für den Gendergap oder den Genderstern, die alle Geschlechter miteinbeziehen, denn es gibt nicht nur zwei Geschlechter.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD, DIE LINKE)

Das Bundesverfassungsgericht hat dies in aller gebotenen Sachlichkeit zusammengefasst und uns Gesetzgebende damit in die Pflicht genommen, das entsprechend zu berücksichtigen. Ich finde, dies muss sich nun auch in unserer Sprache, in unserem Alltag und ganz besonders hier im Parlament wiederfinden, das alle Menschen würdig zu repräsentieren hat.

Im Jahr 2015 wurde der Landesaktionsplan gegen Homo-, Trans- und Interphobie in Bremen und Bremerhaven vorgestellt. Das waren ein wichtiger Schritt und eine solide Grundlage. Der Landesaktionsplan beschreibt Maßnahmen, deren Umsetzung die Lebenssituation von lesbischen, schwulen, biund pansexuellen, trans*, inter und queeren Menschen verbessern soll. Verbessern meint nicht, sie zu bevorteilen, sondern Verbessern meint, die alltäglichen omnipräsenten Nachteile, Belastungen, Diskriminierungen, die queere Menschen noch immer erleben, zu reduzieren.

Queerpolitik ist kein Nischenthema und es ist auch kein allgemeines Akzeptanz-Gerede. Queere Kompetenz ist etwas, das wir in unser staatliches Handeln und in die Regelstrukturen einbringen müssen, damit wir unseren eigenen, in der Verfassung festgehaltenen Grundrechten gerecht werden.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD, DIE LINKE)

Kinder, Jugend und Familie, Schule, Arbeitswelt, Alter und Pflege, Migration, Behinderung, Transund Intergeschlechtlichkeit, Kultur, Sport und Tourismus – das sind die zehn Handlungsfelder unseres Landesaktionsplans. Die Maßnahmen ziehen sich also wirklich durch fast alle Ressorts, durch zahlreiche gesellschaftliche Bereiche. Nein, Queerpolitik ist kein Nischenthema, Queerpolitik ist ein Querschnittsthema!

Dieser Beirat wird helfen, in den nächsten vier Jahren deutlich mehr konkrete und für den Menschen spürbare Fortschritte zu erzielen. Wir müssen Mittel effizient einsetzen und dafür müssen wir die Prioritäten kennen, ohne die Bedarfsgruppen aus dem Blick zu verlieren. Dazu brauchen wir die Expertise der Akteur_innen aus der queeren Community und die Verantwortlichen aus den Regelstrukturen an einem Tisch – und zwar auf Augenhöhe. Auch wir aus dem Parlament sollten dabei sein, zuhören und ernstnehmen, Wissenslücken eingestehen und dann alle gemeinsam – mit der queeren Community – vorangehen.

Veränderungen brauchen manchmal Zeit, vor allem aber brauchen sie Willen, Wissen und Arbeitskraft. Deshalb haben wir uns im Koalitionsvertrag verpflichtet, künftig innerhalb der Verwaltung eine entsprechende queerpolitische Koordinierungsstelle einzurichten. Diese Koordinierungsstelle wird aus der Arbeit des Beirats schöpfen und ihn als Resonanzraum und Netzwerkknotenpunkt nutzen können.

Die queeren Menschen in Bremen, Bremen-Nord und Bremerhaven fordern zurecht mehr substanzielle Ergebnisse aus dem Landesaktionsplan. Sie fordern ihre Grundrechte bei uns ein. Gleichzeitig waren sie in Zeiten eines sehr knappen Haushalts auch geduldig und verständnisvoll.

Wir in der Bürgerschaft tragen Verantwortung dafür, dass Bremen und Bremerhaven für queere Mitmenschen ein sicheres, diskriminierungsfreies Zuhause werden können. Nach dem bedeutsamen Symbol der Regenbogenflagge an der Bürgerschaft und am Rathaus ist dieser queerpolitische Beirat der nächste erforderliche Schritt für konkrete, menschenbezogene und ernsthafte Queerpolitik. – Vielen Dank!

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD, DIE LINKE)

Vizepräsidentin Dogan:

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Dertwinkel.

Abgeordnete Dertwinkel (CDU):

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine sehr geehrten Damen und Herren! Es gibt seit Frühjahr 2015 den Landesaktionsplan gegen Homo-, Trans- und Interphobie im Land Bremen. Der Aktionsplan beinhaltet viele wichtige Ziele und Handlungsfelder. Drei der aufgeführten Ziele, und da sind meines Erachtens auch die wichtigsten dabei, sind die Förderung der Akzeptanz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt, die Bekämpfung von homo-, trans- und interfeindlicher Gewalt sowie die Förderung von Beratungs- und Selbsthilfeangeboten. Seit 2015 haben wir dem Senat also hier mit großer Mehrheit einen Arbeitsauftrag erteilt, um die aufgeführten Ziele mit entsprechenden Maßnahmen in den verschiedenen Handlungsfeldern, die gerade angesprochen wurden, und Altersgruppen zu erreichen.

Solche Maßnahmen sind zum Beispiel: im Handlungsfeld Schule die politische Diskussion über die Berücksichtigung von sexueller und geschlechtlicher Vielfalt in den Schulen voranzutreiben oder im Handlungsfeld Antidiskriminierung und Öffentlichkeitsarbeit die Durchführung einer Akzeptanzkampagne unter Beteiligung aller Ressorts.

Wir erachten den Landesaktionsplan als wirklich gut und die aufgeführten Maßnahmen als sinnvoll, um Homo-, Trans- und Interphobie entgegenzuwirken. Unser besonderer Dank gilt hier noch einmal allen Akteuren, die sowohl an der Erstellung als auch an der bisherigen Umsetzung beteiligt waren. Ich hoffe, das ist in Ordnung, wenn ich an dieser Stelle das Rat & Tat Zentrum stellvertretend für alle anführe.

(Beifall CDU, SPD, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE)

Dann kam im Februar 2018 der Umsetzungsbericht. Wenn man mit den hohen Erwartungen den Bericht durchliest, wird man, oder ich wurde es zumindest, ein wenig enttäuscht. Denn leider liest man in diesem Umsetzungsbericht viel zu oft, diese Umsetzungsmaßnahme soll zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen oder es ist beabsichtigt, dass… oder geplant ist, dass… und so weiter und so fort – so zum Beispiel auch über die gerade von mir genannte Maßnahme, einem klassischen Arbeitsauftrag an den Senat: Durchführung einer Akzeptanzkampagne unter Beteiligung aller Ressorts.

Wenn Maßnahmen dann umgesetzt wurden und man sich die Erörterung dazu durchliest, dann ist in schätzungsweise 95 Prozent der Fälle ein Verein oder eine Institution wie das Rat & Tat Zentrum, belladonna, die ZGF et cetera für die Umsetzung verantwortlich und nicht der Senat. Als Beispiel dazu kann man sich das Kapital 2.2.2 genauer ansehen. Es geht in diesem Kapitel um Menschen mit Behinderungen. Keine der Maßnahmen wurde umgesetzt, geschweige denn mit einem konkreten Plan, wie die Maßnahme umgesetzt werden soll, hinterlegt. Wir als CDU wollen eine Kultur der Toleranz. Wir wollen politisch dazu beitragen, die Sensibilität im Denken und Handeln gegenüber Unterschiedlichkeiten zu fördern. Wir wollen natürlich auch dazu beitragen, dass Unterschiedlichkeiten in der Gesellschaft als Normalität wahrgenommen werden. Wir hätten uns gewünscht, dass der Arbeitsauftrag an den Senat in Form des Aktionsplans ausreichen würde, um dazu beizutragen.

Unseres Erachtens hat der Senat hier jedoch versagt. Wir werden deswegen dem Antrag auf Einrichtung eines queerpolitischen Beirats zustimmen und hoffen, dass dieser dem Senat in der gebotenen Härte auf die Füße treten wird. – Vielen Dank!

(Beifall CDU)

Vizepräsidentin Dogan:

Als nächste Rednerin hat die Abgeordnete Frau Tegeler das Wort.

Abgeordnete Tegeler (DIE LINKE):

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Im März 2015 hat die Bürgerschaft den Landesaktionsplan gegen Homo-, Trans- und Interphobie verabschiedet. Dieser Aktionsplan wurde in enger Abstimmung mit den Ressorts, der ZGF und anderen vom Rat & Tat Zentrum für queeres Leben e.V. erarbeitet und im Umsetzungsprozess koordiniert und begleitet. Im Herbst 2017 wurde ein Umsetzungsbericht erstellt. Für diese Arbeit unter personell nicht einfachen Bedingungen gebührt dem Rat & Tat Zentrum ein sehr großes Dankeschön.

(Beifall DIE LINKE, CDU, SPD, Bündnis 90/Die Grünen, FDP)

Wenn wir heute hoffentlich die Einrichtung des queerpolitischen Beirats beschließen, der die weitere Umsetzung in der laufenden Wahlperiode begleiten und darüber hinausliegende Projekte anstoßen soll, ist dies der nächste logische Schritt. In einigen Feldern wurden in den vergangenen vier Jahren durchaus Fortschritte erreicht. Es gab und gibt Fortbildungsangebote zur Sensibilisierung von Kita-Erzieherinnen und -Erziehern für die Belange von LSBTIQ und Regenbogenfamilien, es gibt eine gut laufende Jugendgruppe im Rat & Tat Zentrum mit Informationsflyern, die in nicht wenigen Freizeitzentren Erfolge bei der Aufklärung erzielt hat.

In den Schulen hingegen mangelt es noch sehr an Ansprech- und Unterstützungsmöglichkeiten für Kinder und Jugendliche. Bei der Schulaufklärung, etwa der Fortbildung von Vertrauenslehrerinnen und -lehrern für sexuelle und geschlechtliche Vielfalt, ist noch viel Luft nach oben. Im Fachbereich Erziehungswissenschaften an der Universität und bei der Lehrerinnen- und Lehrerfortbildung in Bremerhaven wurden in den letzten Jahren zum Beispiel erste Fortschritte erreicht. Hier brauchen wir eine deutliche Ausweitung. Wir werden darüber reden müssen, inwieweit die personelle Ausstattung des Schulaufklärungsteams im Rat & Tat Zentrum den Bedarfen gerecht werden kann und wie wir eine Stärkung und noch bessere Vernetzung von Lehrkräften und unterrichtendem Personal erreichen können.

(Beifall DIE LINKE)

Im Bereich der Pflege ist die Sensibilisierung für besondere Bedürfnisse von älteren Lesben, Schwulen und Bisexuellen in den Rahmenlehrplan für die Altenpflege aufgenommen worden. Es gab einige Fachveranstaltungen des Rat & Tat Zentrums zur Sensibilisierung von Pflegepersonal. Auch hier wäre eine Ausweitung eindeutig wünschenswert.

(Beifall DIE LINKE, SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Beratungs- und Selbsthilfeinstrumente gilt es hier noch gemeinsam zu entwickeln. Das gilt übrigens auch für queere Menschen mit Behinderung. In diesem Zusammenhang freue ich mich sehr auf die Zusammenarbeit mit dem Verein queerhandicap e.V., dessen Beteiligung am Beirat wir als DIE LINKE vorgeschlagen haben. In den Krankenhäusern und etwa bei der medizinischen Versorgung von Trans- und Interpersonen besteht eindeutig Handlungsbedarf in Bremen. Auch dies ist uns ein wichtiges Anliegen für die nächsten Jahre.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, LSBTIQ mit Flucht- oder Migrationsgeschichte brauchen und verdienen unsere besondere Unterstützung. Lassen Sie uns gemeinsam dafür kämpfen, dass es ein Ende hat mit zunehmender Repression gegenüber queeren Geflüchteten durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, das die Gefahren in den Herkunftsländern gern verharmlost und/oder dazu rät, die sexuelle Orientierung oder geschlechtliche Identität zu verschleiern. Lassen Sie uns gemeinsam über Konzepte oder Schutzräume gegen queerfeindliche Gewalt nachdenken. Lassen Sie uns zusammen und auf Augenhöhe mit der Gruppe Queeraspora darüber nachdenken, welche Weiterentwicklungen nötig sind, um Rassismus und strukturelle Ausgrenzungen wirksam zu bekämpfen.

(Beifall DIE LINKE, SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Bremen ist bereits jetzt ein guter Ort für unkommerzielle queere Projekte wie etwa das queerfilm festival, das in zwei Wochen erneut beginnt. Spannend ist auch die Kultur- und Bildungsarbeit von belladonna zur Geschichte und Gegenwart lesbischer Frauen. Lassen Sie uns gemeinsam mit den dann im queerpolitischen Beirat vertretenen Initiativen überlegen, wie wir derartige Projekte stärken und Raum für weitere niedrigschwellige Angebote schaffen können.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und -kollegen, damit Queerpolitik in Bremen wirklich stärker wird, wie die „taz“ kürzlich titelte, und damit Bremen und Bremerhaven ein guter Ort für LSBTTIQ bleibt, brauchen wir Fortschritte in den genannten und zahlreichen anderen Punkten, übrigens auch als deutliches Zeichen gegen Entsolidarisierung und die gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit von rechts. Der heute zu beschließende queerpolitische Beirat bietet hierfür eine wichtige Grundlage und schafft auch Raum für gute Lösungen auf dem Weg zu mehr und besser aufgestellten Beratungsangeboten, auch in Bremen-Nord und Bremerhaven. Lassen Sie uns gemeinsam aber auch nicht müde werden, die Bemühungen für mehr Akzeptanz und Selbstbestimmung von queeren Menschen als Signal in Richtung Bund zu senden, ganz besonders was die rechtlichen Rahmenbedingungen betrifft, Stichwort Regenbogenfamilien, Transsexuellengesetz beziehungsweise Bleiberecht für queere Geflüchtete. – Ich danke für die Aufmerksamkeit!

(Beifall DIE LINKE, SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Vizepräsidentin Dogan:

Als nächste Rednerin hat die Abgeordnete Grotheer das Wort.

Abgeordnete Grotheer (SPD):

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Der Landesaktionsplan Homo-, Trans- und Interphobie war 2015 ein Meilenstein, um die Lebensbedingungen von LSBTIQ-Personen zu ergründen, um deren Lebensbedingungen zu verbessern, um vielfältige Probleme im Arbeitsleben und im Alltagsleben aufzuzeigen und womöglich – und das ist der Plan, den wir damit hatten und den wir weiterhin verfolgen – Verbesserungen so schnell wie möglich zu erreichen. Es mangelt aber nach wie vor an Beratung, an Weiterbildung und auch an Geld. Erst vor ein paar Wochen haben wir ein entsprechendes Schreiben bekommen, in dem wir gebeten wurden, personelle Unterstützung für Personen zu ermöglichen, die einfach zuerst eine Beratung brauchen. Der Leitsatz des Aktionsplans lautet: Eine demokratische Gesellschaft lebt von ihrer Vielfalt. Dazu gehört selbstverständlich auch die Vielfalt von Lebensweisen und sexuellen Identitäten.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE)

Immer noch wird die rechtliche und gesellschaftliche Anerkennung von Homosexualität als Angriff auf gesellschaftliche Traditionen und überlieferte Werte verstanden. In der Positionierung gegen die Gleichstellung von Andersartigkeit fokussiert sich der Kampf gegen eine liberale, eine demokratische, eine offene, eine internationalistische, eine westliche Lebensweise. Wie sonst ist zu erklären, dass dem progressiven Wandel in den westlichen Demokratien spiegelbildlich Kriminalisierung und Diskriminierung von Homosexuellen in Europa, Afrika und Asien entgegenstehen. Ein weites Feld also, auf dem noch viel zu tun ist. Wir fangen bei uns an. Für die SPD sind queerpolitische Themen nicht neu. Die SPD setzt sich seit langem für die vollständige Gleichstellung von Schwulen und Lesben ein. Keine Macht dem Homophoben, Integration für alle, so lautet nicht umsonst das Credo der sozialdemokratischen Arbeitsgemeinschaft der Schwusos, die sich inzwischen ebenso sperrig wie zeitgeistig umbenannt hat in SPDqueer Arbeitsgemeinschaft für Akzeptanz und Gleichstellung. Die Schwusos gibt es bereits seit 1978. Die SPD ist ein bisschen stolz darauf, dass diese Arbeitsgemeinschaft die älteste LSBTTIQ-Gruppe in Deutschland ist.

(Beifall SPD)

Seit 2011 sind die Schwusos eine von elf anerkannten Arbeitsgemeinschaften der SPD. Auch das ist ein Zeichen von Wertschätzung innerhalb meiner Partei. Der queerpolitische Beirat ist eine der wichtigen Forderungen des Bremer Aktionsplanes, über den wir bereits seit 2015 diskutieren. Damit wollen wir gemeinsam Themen dieser Personengruppe deutlicher in den Fokus rücken, denn LSBTTIQ müssen in unseren Städten offen schwul oder lesbisch oder queer oder einfach anders, nämlich so wie sie wollen, leben können ohne körperliche oder verbale Gewalt befürchten zu müssen.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE)

Deshalb müssen sich staatliche und demokratische Institutionen gegen diese Angst positionieren. Sie müssen in diesem Kampf um unsere Kultur, um unsere gemeinsame Kultur Partei ergreifen. – Vielen Dank!

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE)

Vizepräsidentin Dogan:

Als nächster Redner hat der Abgeordnete Dr. Buhlert das Wort.

Abgeordneter Dr. Buhlert (FDP):

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wir Freien Demokraten wollen in einer offenen, in einer weltoffenen, diversen Gesellschaft leben, die inklusiv ist, in der keine Menschen diskriminiert werden, in der Menschen, egal wie sind, akzeptiert werden, in der sie Respekt bekommen und Respekt verdienen allein aufgrund ihres Menschseins, und in der sie ihr selbstbestimmtes Leben führen können und eben nicht diskriminiert werden.

(Beifall FDP, SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Ob schwul, lesbisch, hetero oder bisexuell, ob inter-, transexuell oder transgender oder irgendwie auch anders divers, jeder Mensch soll seinen Lebensentwurf leben können, ihn in einer inklusiven Gesellschaft verwirklichen können. Hier ist Bremen große Schritte gegangen, auch mit dem Aktionsplan, das erkennen wir an.

Er muss aber mit Leben gefüllt werden und begleitet werden wie in anderen Bereichen auch. Wir haben beispielsweise einen Landesteilhabebeirat, der sich auch um gewisse Aspekte dessen kümmert, was sonst in der Gesellschaft nicht berücksichtigt wird, und den Finger in die Wunden legt an den Stellen, wo es schiefgeht. Wir wollen, dass alle Menschen mit ihren verschiedenen Identitäten gesehen werden. Wir wollen Inklusion, Integration und Queerpolitik miteinander vernetzen und sehen, dass es an vielen Stellen einen ähnlichen Ansatz gibt. Wir wollen die Toleranz fördern, wir wollen aber auch den Respekt voreinander fördern und wir wollen, dass es keine Diskriminierung gibt, denn wenn Menschen mit Angst leben müssen, egal warum, können sie nicht frei leben und das schränkt sie ein. Das wollen wir ganz und gar nicht. Deswegen setzen wir uns für die Förderung von queeren Menschen und für die Durchsetzung ihrer Rechte ein – und das schon lange und mit großem Interesse, weil es uns wichtig ist.

Es ist gut, dass im queerpolitischen Beirat das Rat & Tat Zentrum für queeres Leben, Trans Recht, der Verein Intersexuelle Menschen, der CSD Bremen, der Lesben- und Schwulenverband, ich sage mal Bremen-Niedersachsen, querhandicap, belladonna, Queera Spora und andere Berücksichtigung finden sollen. Ich finde es gut und wir Freien Demokraten finden es gut, dass sie ihre Sichtweise auf das Handeln des Staates einbringen sollen, Impulse setzen sollen, damit sich etwas ändert in unserer Gesellschaft, in unserer Verwaltung und wir miteinander besser in einer diversen Gesellschaft leben können, die anerkennt, was verschiedene Menschen sein wollen, wie sie leben wollen und wie sie ihre Lebensentwürfe eigenverantwortlich gestalten wollen – und das angstfrei, vorurteilsfrei, offen in einer Gesellschaft, wie wir sie uns wünschen. Dorthin ist es ein langer Weg, aber es ist ein guter Weg und ihn begleiten zu lassen durch einen queerpolitischen Beirat, halten wir Freien Demokraten für einen richtigen Ansatz.

(Beifall FDP, SPD, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE)

Vizepräsidentin Dogan:

Als nächste Rednerin hat das Wort Frau Senatorin Stahmann.

Senatorin Stahmann:

Frau Präsidentin, sehr geehrte Abgeordnete! Das Vorhaben der Einrichtung eines queerpolitischen Beirats wird vom Bremer Senat, von mir als Teilhabesenatorin, ausdrücklich begrüßt. Als ich 1999 Mitglied der Bremischen Bürgerschaft wurde, brachten Debatten um die Ehe für alle, um das Thema Homosexualität, um Initiativen, die Bündnis 90/Die Grünen damals gestartet haben, um im Bundesrat dafür zu werben, dass Homosexuelle entkriminalisiert werden, dass erlittenes Leid wiedergutgemacht wird, bei manchen aus anderen Fraktionen das Blut noch in Wallung.

Ich muss sagen, in den vergangenen 20 Jahren hat sich das zum Glück ganz stark auch im Parlament geändert. Man kann auch sagen, Bremen und Bremerhaven sind toleranter geworden, sind offener geworden, es wird unverkrampfter über das Thema Sexualität und Andersartigkeit diskutiert und die Abgeordneten haben passende Worte dafür gefunden, dass Vielfalt, Diversity zu unserer Gesellschaft dazugehört, dass Diversity, Vielfalt, sexuelle Selbstbestimmung uns nicht schwächt, sondern uns stark macht.

Wenn man einmal in San Francisco auf der Pride dabei war und die großen Firmen sieht, die mit ihren gesamten Teams alle dabei sind, und zwar nicht nur mit den bekennenden Lesben, Schwulen, Trans- und Interleuten, sondern mit den gesamten Teams, und dafür auf die Straße gehen, dass es in Ordnung ist, schwul oder lesbisch zu sein oder vielleicht auch nur nicht zu wissen, was man ist. Das ist gerade auch ein wichtiges Thema für junge Leute. Das ist ein wichtiges Thema, dass Apple, Cisco, Microsoft, Disney – alle – sich an der Pride beteiligen, die von morgens bis abends durch die Stadt geht, dass alle Geschäfte, die gesamte Stadt San Francisco sich dazu bekennt, dass es in Ordnung ist, sich zu dieser Community, zum Thema LGBTIQ, dazu zu sortieren und dass wir in der Gesellschaft keinen Unterschied machen.

Als sich Ellen DeGeneres, eine der bekanntesten US-Moderatorinnen und -moderatoren, geoutet hat, schrie der eine Teil der USA auf und sagte: Warum tut sie das? Sie wurde im Fernsehen von Oprah Winfrey gefragt: Warum Ellen, warum machst du das, warum sagst du, dass du lesbisch bist? Und Ellen DeGeneres sagte: Weil es okay ist.

Ich glaube, dass es wichtig ist – auch wenn ich jetzt sage, dass Bremen in den letzten Jahren toleranter geworden ist und offener damit umgeht –, dass wir andere Schulbücher brauchen, dass wir darüber reden müssen, wenn Jugendliche, die vielleicht als Mädchen geboren wurden, sagen: Ich fühle mich aber mehr als ein Junge. Wir müssen darüber reden, wir müssen auch Angebote machen. Maja Tegeler hatte das gerade noch einmal angesprochen und Kai Wargalla und Antje Grotheer auch, wir brauchen weitere Initiativen, wir müssen konkret fragen: Was muss noch in den einzelnen Lebensbereichen, und zwar überall, getan werden?

Ich war mit Andreas Bovenschulte auf dem CSD in Bremen, da denkt man: Gut, überall in der Republik läuft der Bürgermeister auch mit und es werden Regenbogenflaggen gehisst und auch die Sozialsenatorin läuft mit und das machen wir hier in Bremen, seitdem der CSD hier wieder gestartet ist, auch aus Überzeugung. Es kamen sehr viele Menschen auf den Bürgermeister zu und haben zum Ausdruck gebracht, was es für sie bedeutet, dass am Rathaus die Regenbogenflagge weht, auch wenn sie ein bisschen klein war. Die könnte noch größer werden, haben viele gesagt. Da haben wir gut zugehört, aber viele Menschen sagten, es hat für sie eine Bedeutung, dass der Senat beim CSD dabei ist, dass sie Abgeordnete sehen, dass wir auch ausstrahlen, dass es in Ordnung ist, schwul oder lesbisch zu sein oder vielleicht auch nicht zu wissen, ob man Mann oder Frau ist. Das fand ich auch im Jahr 2019 noch einmal bedeutsam.

In den Achtzigerjahren hat Rosa von Praunheim im Fernsehen Prominente als lesbisch und schwul geoutet und das fanden viele nicht gut, insbesondere nicht die, die davon betroffen waren. Aber wir alle kennen heute Hape Kerkeling, wir kennen Hella von Sinnen, es gab prominente Politiker – Guido Westerwelle ist verstorben –, die offen in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften lebten. Das ist wichtig, dass das den Platz hat und dass wir das hier in der Gesellschaft auch akzeptieren.

Auf der Straße wurden wir aber während des CSD auch angefeindet, das darf man nicht verhehlen. In London sind in diesem Jahr Frauen zusammengeschlagen worden, weil sie sich geküsst haben. Auf der Straße habe ich erlebt, dass Männer angepöbelt werden, wenn sie Hand in Hand laufen. Deswegen ist es wichtig, dass so ein Beirat eingerichtet wird, dass wir in Spitzenfunktion dieser Gesellschaft sagen: Queerpolitik geht alle an. Bremen steht für die Vielfalt, wir stehen für die Offenheit und für die Toleranz und wir müssen dafür werben.

Ich möchte mich für diesen Antrag bedanken. Die Erwartungen habe ich gehört. Wir wollen uns im Winter mit diesem Beirat konstituieren und wir werden sicherlich auch ein ehrgeiziges Programm haben. Es wurde von der CDU ja schon angekündigt: Man will uns auf die Füße treten. Also, ich habe große Füße.

(Abgeordneter Bensch [CDU]: Wir auch!)

Größe 43. Wir wollen aber auch von den Ressorts und von den einzelnen Abgeordneten fordern, mit uns Farbe für queerpolitisches Leben in Bremen zu bekennen. – Danke schön!

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE)

Vizepräsidentin Dogan:

Weitere Wortmeldungenliegen nicht vor.

Die Beratung ist geschlossen.

Abstimmung der Bremischen Bürgerschaft über den Antrag (Queerpolitischer Beirat)

Vizepräsidentin Dogan:

Wir kommen zur Abstimmung.

Wer dem Antrag der Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen, der SPD und DIE LINKE mit der Drucksachen Nummer 20/59 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen.

(Dafür CDU, SPD, Bündnis 90/Die Grünen, Die Linke, FDP)

Ich bitte um die Gegenprobe.

(Dagegen Gruppe M.R.F., Abgeordneter Jürgewitz [AfD])

Stimmenthaltungen?

(Abgeordneter Beck [AfD])

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) stimmt diesem Antrag zu.

Robert M. Dadanski

Geschrieben von: Robert M. Dadanski

Ausgebildeter Speditionskaufmann, staatl. geprüfter Betriebswirt der Logistik und Qualitätsmanager (IHK). Seit 2009 Geschäftsführer der vardea logistics. Seit Vereinsgründung 2016 im CSD Bremen aktiv.

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